V. von Baehr – Berlin
In der Zahnmedizin spielt die Entzündung eine herausragende Rolle. Die Gingivitis, die parodontitislperiimplantitis, aber auch materialinduzierte lokale und systemische Entzündungsreaktionen stellen klinische Probleme dar, mit denen sich jeder Zahnarzt täglich konfrontiert sieht. Die Tatsache, dass diese Erkrankungen nicht selten einen chronischen und therapieresistenten Verlauf nehmen, macht deutlich, dass es sich nicht um banale lnfektionserkrankungen handelt, sondern dass immunologische Faktoren von überragender Bedeutung sind. Die moderne Immunologie stellt eine wichtige Grundlage für das Verständnis der chronischen Entzündungsreaktionen an allen Organen und Schleimhäuten unseres Organismus einschließlich der Mundhöhle dar.
Immunologie ist mehr als die Lehre von der Abwehrfunktion
Eine richtige, aber unvollständige Definition des Begriffs „Immunologie“, findet sich seit über 100 Jahren in den medizinischen Lexika: „Die Immunologie befasst sich mit den biologischen und biochemischen Grundlagen sowie den Mechanismen unserer Immunabwehr gegenüber Krankheitserregern wie Bakterien, Viren und Pilzen sowie anderen körperfremden Stoffen“ (Quelle: wikipedia.org).
Diese ausschließlich ,,Abwehr-fokussierte“ Definition rührt aus den Zeiten der früher immunologischen Forschung, als nahezu ausschließlich Infektionserkrankungen im Fokus der Medizin standen. Emil von Behring (Serumimmuntherapie 1 890), Robert l(och (Entdeckung der Tuberkelbakterien 1876), Paul Ehrlich (Entdeckung der Funktion von Antikörpern 1897) sowie Elias Metchnikoff, der 1Bg5 den Mechanismus der Erregerphagozytose nachgewiesen hat, gehören zu den urvaiern der,,infektiologisch geprägten Immunologieepoche,,des späten l9. Jahrhunderts. das moderne Fach der Immunologie befasst sich heute mindestens mit gleicher Intensität mit einem anderen Problem, dem der chronisch entzündlichen Erkrankungen und damit mit der Frage, warum das Immunsystem in wachsender Zahl Entzündungsvorgänge im Körper nicht bremsen kann.
Chronisch entzündliche Erkrankungen, wie Allergien, Diabetes, Rheuma, Magen-, Darm- oder schilddrüsenerkrankungen, arteriosklerosebedingte Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder auch die Parodontitis, nehmen in den höher entwickelten Industrienationen zum Teil dramatisch zu. Die Allergierate in Deutschland hat sich in den letzten 20 Jahren nahezu verdoppelt. Die Multiple Sklerose [1] wird 3-mal, der Morbus Crohn [2, 5] sogar 4-mal so häufig diagnostiziert wie noch vor 50 Jahren. Besorgniserregend ist vor allem der Anstieg auch bei jüngeren Patienten. Beim insulinabhängigen Diabetes mellitus rechnet man mit einem Anstieg um 70 % in den kommenden 10-15 Jahren [7]. Auf die Parodontitis wird im weiteren Verlauf der Arbeit gesondert eingegangen.
Die genannten Erkrankungen sind immunologisch bedingt, stellen aber zweifelsohne keine Infektions-erkrankungen dar. Sie sind nicht durch eine zu schwache Immunabwehr zu erklären. Im Gegenteil, es sind Erkrankungen bei denen das Immunsystem nicht verhindern kann, dass körpereigene Strukturen angegriffen werden (Autoimmunerkrankungen) oder sich eine Immunantwort gegen harmlose Antigene richtet (Allergien, chronische Infektionen, chronische Entzündungen). Das Immunsystem verliert aus noch kaum bekannten Gründen seine Fähigkeit zur Toleranz (Abb. 1).
Was ist immunologische Toleranz?
Unser Immunsystem hat 2 Seiten. Es gibt pro- und antientzündliche Immunmechanismen. Letztere werden im spezifischen Immunsystem vor allem durch regulatorische T-Zellen (sogenannte Treg-Zellen) und durch antientzündlich wirkende Zytokine getragen. Diese sind dafür verantwortlich, dass unser Immunsystem nicht überreagiert und bei allen nicht gefährlichen Fremdeinwirkungen eine Toleranz erhält. Diese antientzündlichen toleranzerhaltenden Mechanismen sind z.B. dafür verantwortlich, dass die Anwesenheit von Metallionen oder Acrylat Monomeren im Gewebe im Regelfall nicht mit einer allergischen Unverträglichkeitsreaktion einher-geht oder zum Beispiel auch, dass nicht jeder Mensch eine Parodontitis entwickelt, sobald an-aerobe Keime das Parodont besiedeln (Abb. 2).
Warum werden chronisch entzündliche Erkrankungen häufiger?
Die gestörte Immuntoleranz hat zur Folge, dass unser Immunsystem auch auf banale Reize mit einer Entzündung, das heißt mit einer Aktivierung des Immunsystems antwortet. Diese nahezu immer multikausal hervorgerufene Immunaktivierung stellt den Schlüssel nahezu allerchronisch entzündlichen Erkrankungen dar. Die Genetik kann einen so rasanten Anstieg entzündlicher Erkrankungen in der Bevölkerung innerhalb weniger Jahrzehnte nicht erklären. Man weiß heute, dass eine Vielzahl individueller Trigger- und Kofaktoren (häufig als Umweltfaktorenbezeichnet) als Auslöser chronisch entzündlicher Krankheiten auf der Grundlage einer individuellen Genetik bedeutsam sind. In unserer modernen Gesellschaft müssen wir uns immer häufiger mit immer komplexeren Fremdstoffen ur.rd(Umwelt-) Einflüssen auseinandersetzen. Diese stellen einerseits, meist multikausal, den Entzündungsauslöser dar, sind aber andererseits auch dafür verantwortlich, dass unser immunologisches Toleranzsystem gestört wird. Die Tatsache, dass viele chronisch entzündliche Erkrankungen in den letzten 50 Jahren deutlichzugenommen haben, musste folgerichtig dazu führen, dass die sich in dieser Zeitspanne ebenfalls veränderten Bedingungen in unserer Umweltmit der Störung immunologischer Toleranzmechanismen in Zusammenhang gebracht werden. Einige der diskutierten Faktoren sind:
- Medikamente und alloplastische Ersatzmaterialien im Organismus
- Impfungen und Limitierung von Infektionserkrankungen durch Hygienemaßnahmen
- vermehrter Einsatz von Pestiziden, Herbiziden, Weichmachern, Lösungs- und Flammschutzmitteln in unserer Wohn- und Arbeitsumgebung
- Zunahme der Antigenvielfalt in unserer Nahrung
- Konservierung von Lebensmitteln (Konservierungsmittel, UV-Behandlung, Blechbüchsen, PET-Flaschen)
- Nahrungsergänzungsmittel in unüberschaubarer Vielfaltmoderner (luftdichter) Wohnungsbau und ,,sterile“ Wohnbedingungen
- Haustierhaltung (in der Wohnung) vermehrter Kontakt zu Kosmetika
- zunehmender Stress und Lärmbelastung
Einfluss der Zahnmedizin
Die Zahnmedizin ist ohne Zweifel am Zuwachs von potenziellen Fremd- und Störfaktoren auf den Organismus beteiligt. Der zunehmende Einsatz von Zahnersatzmaterialien in beinahe unüberschaubarer Vielfalt, die zunehmende Zahl an Implantationen und Implantatfabrikaten, die Versiegelungen und Fluoridierungen, der nicht zu verhindernde Kontakt zu potenziellen Allergenen in der KFO und der Endodontie – das alles ist segensreich für die Erhaltung der natürlichen Zähne bzw. der Kaufunktion. Das darf aber nichtdarüber hinwegtäuschen, dass diese Fremdmaterialien einen (in der Regel andauernden) Reiz für das Immunsystem darstellen und dieses aktiv eine Toleranz aufrechterhalten muss.
Die Parodontitis als Beispiel für einen Toleranzdefekt?
Bei der chronischen Parodontitis und auch beider sich immunologisch identisch verhaltenden Periimplantitis handelt es sich um Erkrankungen, die durch den Verlust der immunologischen Toleranz bedingt sind.
Auch die Parodontitis nimmt in ihrer Inzidenz und Prävalenz stetig zu. Micheelis und Schiffner publizierten rnit Daten von 2005 die Ergebnisse der 4. Mundgesundheitsstudie, welche zeigte, dass mittelschwere und schwere Parodontalerkrankungen bei 35- bis 44-jährigen Erwachsenen seit 1997 um 26% und bei Senioren (65-74Jahre) um 23,7 % zugenommen haben [9]. Die Erklärungsversuche zeigen, dass die immunologischen Erkenntnisse nicht wahrgenommen wurden. Man erklärte sich den Anstieg damit, dass durch verbesserte Prophylaxe heute weniger Zähne durch Karies verloren gehen und damit die länger erhaltenen Zähne mit zunehmendem Alter einem steigenden Risiko für Parodontalerkrankungen ausgesetzt sind. Diese Erklärung wird allein schon durch die Tatsache unglaubhaft, dass der Anstieg bei jüngeren Patienten sogar deutlicher war als bei älteren Personen. Man hat die längst gewonnenen Erkenntnisse, dass chronisch entzündliche Schleimhauterkrankungen aufgrund von Veränderungen im Immunsystem im Allgemeinen zunehmen, nicht auf die Zahnmedizin übertragen. Es ist also auch ohne diese Erklärungsversuche kein Versagen der praktizierenden Zahnmedizin, dass die 2004 von der Bundeszahnärztekammer hochgesteckten Ziele nicht erreichbar sind, bis 2020 die schweren Parodontalerkrankungen in ihrer Prävalenz auf 1O% zu senken.
Parodontitis – ein immunologisches Problem
Die Parodontitis wird wie die Gingivitis ohne Zweifel im Regelfall durch bakterielle Plaque ausgelöst. Sie ist somit eine bakteriell induzierte Entzündung, was aber nicht bedeutet, dass hier ein infektiologisches bzw. mikrobiologisches Problem im Vordergrund steht. Es ist bekannt, dass die obligat oder fakultativ anaeroben, gramnegativen Bakterienarten, wie Porphyromonasgingivalis, Treponema denticola, Tannerella for-ythensis (Bacteroides forsythus) sowie Actino-bacillus actinomycetemcomitans (neuerdings Aggregatibacter actinomycetemcomitans), auch bei Patienten ohne klinisch objektivierbare Parodontitis in der Mundhöhle nachweisbar sind und dass die Menge nachweisbarer Erreger nicht zur Stärke der Entzündungsreaktion korreliert [3]. Das eigentliche Problem stellt also nicht die Übertragung der Erreger auf den Patienten dar, sondern seine unkontrollierte immunologische Antwort auf diesen Reiz. Viele Entzündungsreaktionen sind kein infektiologisches, sondern ein immunologisches Problem, was in der Praxis dadurch bestätigt wird, dass antibiotische Therapien in vielen Fällen keinen anhaltenden Erfolg bringen.
Eine chronische Entzündung ist oft Folge einer unkontrollierten und zu starken Entzündungsreaktion
auf einen eher banalen Entzündungsreiz
Insbesondere in der Zahnmedizin werden für Entzündungen nahezu ausnahmslos patlrogene Bakterien als kausal verantwortlich angesehen. Es fällt geradezu auf, dass bei Erkrankungen des vom Mund bis zum Rektum reichenden Verdauungstraktes, ober- und unterhalb des Kehlkopfes an der pathognomische Denkansätze gelten, obwohl es sich auf ganzer Länge um das Mukosa-assoziierte Immunsystem (engl. Mucosa associated lymphoid Tissue, MALT) handelt. Werden im oralen Bereich fast ausnahmslos Bakterien verantwortlich gemacht, spielen im Ösophagus, im Magen sowie im Darm bekanntlich eher autoimmunentzündliche oder immunreaktive Erklärungsansätze eine Rolle. Der Begriff Infektion ist hier, abgesehen von der Helicobacter-Gastritis, den akuten Erkrankungen vorbehalten (2.8. infektiöse Gastroenteritis). Die häufigsten Entzündungserkrankungen der Schleimhaut, wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa, würde niemand als bakterielle Infektion bezeichnen und nicht antibiotisch therapieren, obwohl im Darm zweifels-ohne Bakterien in hoher Zahl nachweisbar sind.
Eine gestörte Immuntoleranz macht einen Patienten empfindlich
Es sind zahlreiche Faktoren, die abgesehen von der Virulenz der Keime im Biofilm darüber entscheiden, ob ein Patient auf einen Reiz mit einer Schleimhautentzündung reagiert oder nicht. Im vorliegenden Heft werden im Artikel von Dr. Sabine Schütt zur Genetik der Parodontitis einige wichtige Resistenzfaktoren erörtert. Auch wenn diese individuell angelegten genetischen Entzündungsfaktoren keinesfalls allein verantwortlich zu machen sind, wird doch deutlich, dass die biologische Gegenseite, auf die der Entzündungsauslöser trifft, den entscheidenden Faktordarstellt. In Zukunft wird auch in der Zahnmedizin mehr über antientzündliche Therapieansätze nachgedacht werden müssen, wenn antibakterielle Maßnahmen erfolglos bleiben.
Die Zusammenhänge zwischen Parodontitis und anderen chronisch entzündlichen Erkrankungen
sprechen für den immunologischen Erklärungsansatz
In den letzten 20 Jahren wurde dem Zusammen-hang zwischen Parodontitis und systemischen Erkrankungen große Aufmerksamkeit geschenkt. Allein zu Diabetes mellitus und Parodontitis liegen bis jetzt über 550 wissenschaftliche Publikationen vor. Belegt sind die Zusammenhänge auch für arteriosklerose bedingte Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Fettstoffwechselstörungen und Adipositas, Osteoporose, rheumatoide Arthritis [11] sowie Frühgeburtlichkeit und Untergewichtigkeit des Neugeborenen.
In älteren Arbeiten findet man als Erklärung für das gehäufte gemeinsame Auftreten dieser Erkrankungen nicht selten die These, dass ,,gestreute“ Bakterien verantwortlich sind. Heute ist allerdings unbestritten, dass es eher die Entzündungsmediatoren als die Bakterien sind, welche bei entsprechender genetischer Disposition (gesteigerte Entzündungsprädisposition, gestörte Immuntoleranz) für das gehäufte kombinierte Auftreten von chronisch entzündlichen Erkrankungen und Parodontitis verantwortlich sind. Die Tatsache, dass Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Rheuma keine bakterielle Erreger Genese haben, machte die ,,Erreger-Streuungstheorie“ frühzeitig unglaubhaft.
Nicht nur Bakterien können Auslöser einer Entzündung sein
Auch Materialunverträglichkeiten können durch gestörte Toleranzmechanismen und/oder sich entwickelnde immunologische Sensibilisierungen Ursache chronischer Entzündungsprozesse sein. Durch den stereotypen Ablauf der Entzündungskaskade kann weder aus dem klinischen noch aus dem histologischen Entzündungsbild auf den Auslöser geschlossen werden.
Metalle und Kunststoffe
Vor allem Metalle und Acrylate, aber prinzipiell alle zahnärztlichen Werkstoffe mit Ausnahme der Dentalkeramiken, können zellulär vermittelte, allergisch bedingte Entzündungsreaktionen hervorrufen (Typ-IV-Allergien) [6]. Freie Metallionen sowie auch Kunststoffmonomere wirken dabei als Haptene (Halballergene). Das heißt, sie verändern körpereigene Eiweiße sodass diese vom Immunsystem als fremd erkannt werden. Die Symptomatik bei allergisch bedingten Unverträglichkeitsreaktionen auf Zahnersatzmaterialien ist in der Regel unspezifisch, d.h. ein ursächlicher Zusammenhang zum auslösenden Fremdstoff lässt sich zumeist nicht sicherbelegen. Lokale Zeichen können Stomatitiden, Lichen ruber planus, Gingivitis oder Parodontitis sein, wobei diese durch die geringe Immunreaktivität der Mundschleimhaut häufig nur schwach oder gar nicht ausgeprägt sind. Bedingt durch die bei chronischer Allergenstimulation auftretende systemische Immunaktivierung treten neben einer Lokalsymptomatik auch Allgemeinsymptome, wie Kopfschmerzen, Migräne, Neuralgien, Muskelschmerzen, Arthralgia, Fibromyalgie, Paraesrhesien, gesteigerte Müdigkeit, Schlafstörungen und depressive Verstimmungen, auf. Diese Krankheitsbilder werden oft fälschlich dem psychosomatischen Formenkreis zugeordnet, vor allem wenn Entzündungszeichen an der Mundschleimhaut fehlen.
Für zahlreiche Metalle wurde schon in den späten 1980er-Jahren nachgewiesen, dass sie Autoimmunität auslösen können. Gezeigt ist dieses zum Beispiel für Quecksilber, Silber, Gold und Cadmium [4]. Da man heute weiß, dass sich alle Metalle mit Ausnahme von Titan (siehe unten) an körpereigene Eiweiße binden und diese soverän dem, dass sie vom Immunsystem als fremd erkannt werden, verwundert es nicht, dass die Palette der betroffenen Metalle viel breiter ist und inzwischen auch Acrylate diskutiert werden(Abb.3).
Titanimplantate als Triggerfaktor
Dass ausgewählte Patienten auf Titanimplantate Unverträglichkeitsreaktionen zeigen, ist durch orthopädische, aber auch zahnmedizinische Fallbeispiele belegt. Die Diagnosestellung ist vor allem deshalb schwierig, weil sich die Immunpathogenese der Titanüberempfindlichkeit deutlich von anderen Metalle unterscheidet. Titan liegt im Gegensatz zu Metallen wie Gold, Quecksilber oder Nickel nicht in freier ionisierter Form vor, da es in physiologisch vorkommenden ph-Wert-Bereichen in wässriger Lösung unmittelbar nach seiner Freisetzung oxidiert wird und somit, anders als die übrigen Metalle, nicht in der Lage ist, körpereigene Proteine zu modifizieren und als Hapten (Halballergen) zu fungieren.
Die titaninduzierte Implantitis beruht demnach nicht auf einer Allergie, sondern wird durch eine verstärkte Entzündungsreaktion der Gewebsmakrophagen auf die freiwerdenden phagozitierbaren Titanoxidpartikel bedingt 12l (Abb. 4). Folgerichtig zielen entsprechende Testverfahren darauf ab, Blutmonozyten des Patienten mit Titanpartikeln zu provozieren und den Grad der dabei induzierten Entzündungsantwort anhand der inflammatorischen Schlüssel Zytokine TNF und IL 1-p zu messen. Die Korrelation dieser Methodik zu genetischen polymorphismen in den Promotorregionen der genannten proentzündlichen Zytokine konnte gezeigt werden. Allergietests wie der Lymphozyten-Transformationstest (LTT) und der Epikutantest sind nicht geeignet, diese häufigste Form der immunologischen Titanüberempfindlichkeit nachzuweisen. Da sie nur die allergisch bedingten Formen erfassen.
Immunaktivierung durch Wurzelfüllmaterialien
Die Endodontie ist sicherlich mit mehreren Problemen behaftet, die im individuellen Fall für chronisch entzündliche Immunaktivierungen und toxische Prozesse kausal bedeutsam sein können. Aus allergologischer Sicht fällt auf, dass Wurzelfüllmaterialien häufig ausgesprochen potente Allergene enthalten. Ohne an dieser Stelle Produktnamen nennen zu müssen, zählen dazu folgende in gängigen Materialien enthaltene Substanzen:
Perubalsam, Eugenol, Terpentinöl, Epoxidharze, Silikonö1, Silber, Kolophonium, polydimethylsiloxan, Erdnussöl und paraformaldehyd. Unsere Erfahrungen haben gezeigt, dass bei Entzündungen an wurzelgefüllten Zähnen zu selten an die Möglichkeit eines allergisch bedingten Immunprozesses gedacht wird. Abzugrenzen von allergischen Unverträglichkeiten sind hier die individuell möglichen Entzündungsreaktionen auf Eiweißzerfallsprodukte, die vom toten Zahn ausgehen können. Hierbei handelt es sich im Grunde um Autoimmunreaktionen, da veränderte körpereigene Proteine Auslöser der Immunreaktion sind.
Zusammenfassung
Die akute Entzündung ist in der Regel biologisch sinnvoll. Sie dient der Elimination einer ernsthaften, häufig erregerbedingten Bedrohung des Organismus (mikrobiologisches Problem). Die chronische Entzündung ist dagegen häufiger ein immunologisches Problem, dem eine Überreaktion des menschlichen Immunsystems zugrunde liegt. Die Ursache für chronische Entzündungsverläufe ist daher zumeist nicht der Auslöser (Erreger, Zahnersatzmaterial etc.), sondern eine nicht angepasste und unkontrolliert ablaufende Immunreaktion. Die Ursachen dafür sind nahezu immer multikausal. prädispositionsfaktorenkönnen angeboren (Immundefekte, Entzündungspolymorphismen, Schleimhautfaktoren) oder erworben sein (2.8. gestörte Schleimhautflora, toxische lokale Einflüsse, systemische Erkrankungen). Als Entzündungsauslöser können neben bakteriellen Antigenen auch Werkstoffe wie Metalle, Acrylate oder Titan verantwortlich oder mitverantwortlich sein.
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